Wenn die Funktion des lymphatischen Systems im Körper beeinträchtigt ist, kann es zu einem Rückstau der Lymphe im Gewebe und daraus folgend zur Entstehung eines Lymphödems kommen. Die Ursachen für solch eine Störung sind vielfältig. Grundsätzlich wird zwischen zwei Arten des Lymphödems unterschieden. Sind die Ursachen genetisch bedingt und entstehen durch eine angeborene Fehlbildung, sprechen Mediziner von einem primären Lymphödem. Weit häufiger lautet die Diagnose sekundäres Lymphödem, welches sich im Laufe des Lebens aufgrund anderer Ursachen entwickelt.
Die Ursachen für ein primäres Lymphödem entstehen bereits in der Embryonalphase durch eine Fehlentwicklung des Lymphsystems. Aufgrund einer genetischen Veranlagung bilden sich beispielsweise zu wenig Lymphgefäße aus, sie entwickeln sich zu schmal oder sind erweitert, was das gesamte lymphatische System in Mitleidenschaft zieht und in seiner Funktion beeinträchtigt.
Ein primäres Lymphödem muss sich nicht zwingend unmittelbar nach der Geburt bemerkbar machen. Viele Betroffene zeigen erste Symptome im Alter der Pubertät oder später. Im Unterschied zu einem sekundären Lymphödem kann die angeborene Form auch beidseitige Symptome ausbilden, zu Beginn meist an den Füßen und den Zehen.
Laut Angaben der Deutschen Gesellschaft für Lymphologie liegen bei 97 Prozent der Patienten mit primärem Lymphödem die Ursachen in einer embryonalen Fehlentwicklung, die nicht genetisch vererbt wird. Bei etwa drei Prozent ist ein erblicher genetischer Defekt an der Entstehung eines primären Lymphödems beteiligt. Insgesamt kommt das primäre Lymphödem weit seltener vor als das sekundäre.
Als sekundär wird ein Lymphödem dann bezeichnet, wenn es sozusagen „erworben“ ist, also infolge einer anderen körperlichen Ursache entsteht. Das sekundäre Lymphödem kann als Begleiterscheinung einer Erkrankung, einer Verletzung oder auch nach einer Therapie auftreten.
Ein sekundäres Lymphödem entsteht, wenn der durchgängige Fluss der Lymphe durch bestimmte Faktoren im Körper beeinträchtigt wird. Häufig sind eine oder mehrere Lymphbahnen verschlossen, was zu einem Stau der Lymphe an der jeweiligen Körperstelle führt. Durch diesen Stau nimmt der Druck in den Lymphgefäßen zu. Um den Druck abzubauen, dringt die Lymphflüssigkeit in umliegendes Gewebe ein und sammelt sich dort zu einer sichtbaren Schwellung, dem Lymphödem.
Obwohl auch Verletzungen, Infektionen und selten Parasiten für die Entstehung eines sekundären Lymphödems verantwortlich sein können, sind Krebspatienten in den westlichen Ländern überdurchschnittlich häufig betroffen. Vor allem bei Patientinnen mit Brustkrebs entsteht ein sekundäres Lymphödem im Arm oft als Begleiterscheinung.
Zur Therapie von Brustkrebs entnehmen die behandelnden Chirurgen meist nicht nur das von Tumorzellen befallene Gewebe, sondern auch die umliegenden Lymphknoten aus der Achselhöhle. Häufig werden die Lymphknoten entfernt, um zu testen, ob sie möglicherweise Krebszellen enthalten. Dieses Vorgehen kann die Entstehung eines Lymphödems begünstigen. Inzwischen gehen Chirurgen deshalb dazu über, die Achsel-Lymphknoten nur dann zu entfernen, wenn die umliegenden Lymphknoten (sogenannte Wächterlymphknoten) auch von Krebs befallen sind. Andernfalls werden nur die Wächterlymphknoten entnommen und untersucht.
Wird sich auf die Entnahme der Wächterlymphknoten beschränkt, sinkt das Risiko, an einem Lymphödem zu erkranken, kann allerdings nicht ausgeschlossen werden. Ähnlich verhält es sich bei der Behandlung durch eine Chemotherapie: Bei einigen Patientinnen tritt ein Lymphödem als Nebenwirkung kurzfristig auf, bei anderen gar nicht, und bei einer kleinen Patientengruppe entwickelt sich eine schwere und chronische Form. Studien zufolge entwickeln sechs bis 20 Prozent der Brustkrebs-Patientinnen ein Lymphödem in den ersten zwei Jahren nach der Behandlung, einige erst Jahre später.
Warum die Entstehung eines sekundären Lymphödems bei Brustkrebs-Patientinnen individuell und nicht vorhersehbar ist, konnte die Forschung bis heute nicht klären. Allerdings gibt es verschiedene Risikofaktoren, die die Wahrscheinlichkeit erhöhen, nach einer Brustkrebs-Operation an einem Lymphödem zu erkranken. Bereits leichtes Übergewicht, aber vor allem Adipositas, erhöht das Risiko für ein sekundäres Lymphödem erheblich.
Sabrina Mandel